Bestatter-ABC: S wie Sargpflicht

Bestatter-ABC: S wie Sargpflicht

Der Sarg ist in unserer Kultur jenes Behältnis, in das ein toter Mensch gebettet wird, um seinen letzten Weg bis zur Bestattung anzutreten. Dieser Weg dauert bei uns in den allermeisten Fällen mehrere Tage, oft sogar ein bis zwei Wochen, manchmal auch länger und hat mehrere Stationen: Verstorbene werden vom Sterbeort abgeholt, nicht selten ist eine Obduktion erforderlich, um die Todesursache genau zu bestimmen, danach kommen Verstorbene ins Bestattungsinstitut und werden mitunter sogar bis zu drei Tagen öffentlich aufgebahrt. Sehr häufig wird der Verstorbene im Sarg dann noch zur Trauerfeier in eine Kirche oder in eine Einsegnungshalle gebracht. Schließlich wird er im Kondukt zu seiner letzten Ruhestätte auf den Friedhof begleitet oder ins Krematorium zur Feuerbestattung überführt.

Die Einbettung eines Verstorbenen in einen Sarg entspricht einerseits unseren Vorstellungen vom respektvollen Umgang mit dem Körper, sie hat aber vor allem hygienische Gründe für Aufbewahrung und die nötigen Transporte, denn in den Tagen bis zur Bestattung ist mit mehr oder weniger starken Veränderungen durch den Verwesungsprozess zu rechnen. Verwesung beginnt unmittelbar nach dem Einstritt des Todes, macht sich zunächst durch Geruchsbildung, bald aber auch durch den Austritt von Fäulnisflüssigkeit bemerkbar. All das bleibt im geschlossenen Sarg für viele Tage unbedenklich. Einen Leichnam nur in ein Tuch zu hüllen, wäre also keine so gute Idee.

Muslime werden in ihren Heimatländern tatsächlich meist nur in ein Tuch gehüllt und damit beigesetzt. In diesen Ländern ist es meist sehr heiß und der Islam verlangt deshalb auch eine Beisetzung noch am Sterbetag bzw. innerhalb von 24 Stunden.

Die islamischen Bestattungsriten schreiben folgendes Vorgehen vor: Der Leichnam wird nach der rituellen Waschung in ein Tuch eingeschlagen und in einem Erdgrab mit dem Blick nach Mekka beigesetzt. Ein Brett, das über den Verstorbenen gelegt wird, bildet – ähnlich wie bei uns der Sarg – den Schutzraum vor dem direkten Kontakt mit dem Erdreich.

Muslime, die bei uns beigesetzt werden, werden auch im Sarg beigesetzt. Ein einfacher Sarg ist nach den Regeln des Islams ausdrücklich erlaubt. Der Leichnam wird auch bei uns von den Muslimen entsprechend ihrer Riten gewaschen, in ein weißes Tuch gehüllt, zusätzlich aber unseren Vorschriften entsprechend in den Sarg gebettet und mit Blick nach Mekka möglichst rasch beigesetzt. Selten gelingt das noch am Sterbetag, mitunter schaffen wir das am Folgetag, aber oft dauert es auch 2 bis 3 Tage bis der Leichnam zur Bestattung frei gegeben ist und bestattet werden kann. 

Bis ins 19. Jahrhundert wurde auch bei uns häufig schon am Sterbetag oder am darauffolgenden Tag beigesetzt. Das hatte (wie im Islam) vor allem hygienische Gründe, denn der Verstorbene wurde ungekühlt im Wohnhaus aufgebahrt. Die Angst vor dem Scheintod und die Möglichkeit Verstorbene in Leichenhallen oder Totenkapellen außerhalb des Wohnhauses aufzubewahren, um sicher zu gehen, dass der Mensch wirklich tot war, führten zur zeitlichen Hinauszögerung der Bestattung. Heute können Mediziner den Tod bereits wenige Stunden nach dem Versterben sicher feststellen und die Angst vor dem Scheintod ist somit unbegründet. Dass Verstorbene heute erst mehrere Tage nach Eintritt des Todes bestattet werden, hat organisatorische und auch psychologische Gründe:

  1. Es dauert oft einige Tage bis der Verstorbene zur Bestattung frei gegeben ist. Das ist z.B. dann der Fall, wenn eine Obduktion angeordnet wird.
  2. Die Familie lebt verstreut und es braucht Zeit, bis sich alle zur Trauerfeier einfinden können.
  3. Angehörige haben mehr Zeit sich zu verabschieden und eine ihren Bedürfnissen entsprechende Trauerfeier vorzubereiten. Wir wissen heute, dass Abschiednehmen Zeit und Ruhe braucht und die fehlt, wenn ein Mensch binnen weniger Stunden beigesetzt wird.

Angehörige, die nach dem Verlust eines nahen Angehörigen nicht die Möglichkeit haben, sich in Ruhe zu verabschieden, weil alles „schnell gehen muss“, haben Schwierigkeiten, den Verlust zu realisieren. Posttraumatische Belastungsreaktionen und ein erschwerter Trauerprozess bis hin zu einem krankheitswertigen Verlauf werden dadurch begünstigt. Sich Zeit lassen, realisieren, was passiert ist, nichts überstürzen, in Ruhe Abschied nehmen und eine Feierlichkeit planen, die zur verstorbenen Person passt und den Bedürfnissen der Angehörigen entspricht, hilft dabei, den Weg in einen gesunden Trauerprozess zu eröffnen. Dass das möglich ist, verdanken wir unter anderem auch dem Sarg. 

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